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Fiktive Abrechnung
Abrechnung nach Gutachten



Sofern der Geschädigte sein Fahrzeug bei einem Kfz-Haftpflichtschaden nicht, oder im Moment nicht reparieren (lassen) möchte, kann er sich den Schaden von der eintrittspflichtigen Versicherung "auszahlen" lassen.

Diesen Vorgang bezeichnet man als fiktive Abrechnung oder Abrechnung nach Gutachten, da zur genauen Schadenskalkulation ein Gutachten erforderlich ist und nach diesem dann abgerechnet wird.

Die Grenzen für die Berechnungsverfahren hat der BGH mit seinem Urteil VI ZR 192/05 wie folgt festgelegt:

1.) Der Geschädigte hat Anspruch auf Erstattung der Reparaturkosten (Netto), wenn die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen und er das Fahrzeug innerhalb der folgenden 6 Monate nach dem Schadensereignis weiter nutzt bzw. das Fahrzeug innerhalb dieser 6-Monatsfrist nicht veräußert.

2.) Wird das verunfallte Fahrzeug innerhalb von 6 Monaten veräußert, so hat der Geschädigte nur Anspruch auf Erstattung des Wiederbeschaffungsaufwandes (=Wiederbeschaffungswert - Restwert).

Bei der fiktiven Abrechnung der Reparaturkosten zu 1.) gibt es jedoch eine weitere Einschränkung mit erheblichem finanziellen Nachteil.
Bei einem Schadenseintritt bis zum 31.07.2002 erfolgte die Auszahlung des Schadens einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.
Der Schaden wurde also "Brutto" ausbezahlt.

Zum 01.08.2002 trat eine Gesetzesänderung in Kraft, nach der bei der fiktiven Abrechnung nur noch der Nettoschaden ohne gesetzliche Mehrwertsteuer (z. Zt. 19%) erstattet wird.

Hierzu ist folgendes anzumerken.

Sollte das Fahrzeug nach Erstattung der Nettoreparaturkosten doch noch vollständig oder teilweise repariert werden, so ist die Mehrwerststeuer fällig, sofern ein entsprechender Nachweis erbracht wird.

Ein geeigneter Nachweis kann eine Rechnung über die Instandsetzung des Gesamtschadens sein oder Materialrechnungen, sofern eine Eigenreparatur vorgenommen wurde.

Bei Teilerechnungen wird natürlich nur die Mehrwertsteuer aus der Teilerechnung erstattet.

Dies gilt auch für Rechnungen zu Lohnkosten oder Rechnungen für Reparaturanteile wie z.B. die Kosten für die Lackierung.

Die Einsparung aufgrund der Gesetzesänderung in Höhe der Mehrwertsteuer war den Versicherern offensichtlich nicht weitreichend genug, wie die momentane Praxis der Schadensabwicklung zeigt.

Bei der fiktiven Abrechnung werden die Positionen Ersatzteilzuschläge und Verbringungskosten vom Schadensgutachten gerne in Abzug gebracht mit dem Hinweis, dass diese Kosten nur erstattet werden, wenn der entsprechende Nachweis erbracht wird.

Zu der Position Ersatzteilzuschläge gibt es eindeutige Rechtsprechung, die besagt, dass die Ersatzteilzuschläge bei der fiktiven Abrechnung zu erstatten sind, sofern die örtlichen Vertragshändler diese Zuschläge berechnen.

Auch zur Position Verbringungskosten gibt es reichlich Rechtsprechung, nach der die Verbringungskosten als Teil des Gesamtschadens fiktiv erstattet werden müssen.

Des weiteren werden dann noch die Stundenverrechnungssätze der jeweiligen markengebundenen Vertragswerkstatt auf willkürliche "ortsübliche" Stundenverrechnungssätze gekürzt.
Zum Teil mit dem Hinweis, dass diese Sätze durch renomierte Unternehmen ermittelt worden seien.
Dieser Praxis hat der BGH bereits am 29.04.2003 mit dem legendären Porsche-Urteil (AZ: VI ZR 398/02) eine Absage erteilt.

Nachdem die Kürzerei aufgrund es "Porsche-Urteils" mittelweile nicht mehr zum Erfolg führt, versucht man nunmehr die Stundensätze der markengebundenen Vertragswerkstätten zu kürzen auf Stundenverrechnungssätze "freier Werkstätten" bzw. auf das Lohnnieveau von Partnerwerkstätten = Vertragswerkstätten der Versicherer.
Auch dies widerspricht dem o.a. BGH-Urteil, wie man der weiteren BGH Rechtsprechung entnehmen kann ( VI ZR 53/09 vom 20.10.2009.

Durch das Schadensmanagement, zu dem u.a. die o.a. Kürzungen gehören, "spart" die Versicherungswirtschaft pro Jahr 3-stellige Millionenbeträge.
Einige Schätzungen gehen von mehr als 1 Milliarde Euro / Jahr aus.
Diese "Einsparungen" gehen zu Lasten des Geschädigten, der mit dem Verzicht auf Schadenspositionen, die ihm rechtlich zustehen, letztendlich die Zusatzgewinne der Versicherer subventioniert.

Die o.a. Kürzungen werden seitens der meisten Versicherer wider besseres Wissen und vorsätzlich gegen geltendes Recht vorgenommen.

Die Positionen sind in der Regel nur mit Hilfe eines versierten Rechtsanwaltes realisierbar.